Mit einem spannenden Programm und tollen Gästen begann in Leipzig „Was‘ los, Deutschland!? Ein Parcours durch die Islamdeabatte“

Zwei mal musste die Wanderausstellung der CD Kaserne aufgrund der Pandemie verschoben werden. Die Raumsuche gestaltete sich schwierig und jeder neue Anlauf musste mit vielen Stellen und Personen abgestimmt werden. Aber Organisatorin Katrin Pausch hatte nicht locker gelassen und so konnten wir die Ausstellung am 06.09. in den STILL HUNGRY Art Studios in Lindenau feierlich eröffnen. In bunten, begehbaren Comic-Szenen der bekannten muslimischen Comic-Zeichnerin Soufeina Hamed (tuffix), können Äußerungen und Gedanken der lebensgroßen Figuren gehört werden. Darin geht es vor allem um antimuslimischen (Alltags-)Rassismus und den Umgang damit. Die Ausstellung lädt nun Schüler:innen und weiter Interessierte in Leipzig ein, antimuslimischen Rassisum in Schulen, in Politik und Öffentlichkeit zum Thema zu machen.

Auf der Eröffnung wurde in einer sehr angenehmen Atmosphäre der Vernetzung sicht- und hörbar, was antimuslimischer Rassismus für Betroffene bedeutet und wie dringend notwendig es ist, sich vor Ort und auf allen Ebenen dagegen einzusetzen. Als Vertreterinnen der Stadt unterstrichen Frau Felthaus und Frau Andrich durch ihre Redebeiträge die Wichtigkeit der Sensibilisierung der (Stadt-)Gesellschaft. Gerade ist ein städtisches Konzept zur Prävention von antimuslimischem Rassismus im Entstehen. An der Ausarbeitung beteiligen sich Leipziger Organisationen, die in den Bereichen antimuslimischer Rassismus und/oder muslimische Vielfalt und Lebensrealitäten aktiv sind.

Ich habe auch Diskriminierung erfahren. Ich trage aber nicht nur meine Erfahrung, sondern auch die meiner Eltern, meiner Geschwister mit. Und ich wünsche mir einfach wirklich, wirklich wirklich Veränderung. Und das soll nicht 30 Jahre dauern. Weil ich bin Ossi – ich bin in Thüringen groß geworden. Viele Menschen, ganz viele Migrant:innen sind irgendwann von dort weg gezogen. Auch wir. Meine Familie lebt jetzt in Niedersachsen. Ich bin zum Studium wieder hier her gekommen. Ich wünsche mir wirklich Veränderung, und es soll bitte nicht lange dauern!

Songül Orhan (Haus SoVi, Leipziger Bündnis gegen AMR) auf der Ausstellungseröffnung

Am Abend der Ausstellungseröffnung sprachen u.a. Songül Orhan von Haus SoVi und Umer Malik von der Ahmadiyya Moscheegemeinde. Beide arbeiten am Konzept der Stadt Leipzig mit und vertreten ihre Organisationen im Leipziger Bündnis gegen antimuslimischen Rassismus. Das Bündnis hatte sich 2021 anlässlich einer gemeinsamen Aktion zum Tag gegen antimuslimischen Rassismus gegründet.

Der 1. Juli als Aktions- und Gedenktag wurde 2015 vom Rat muslimischer Studierender und Akademiker (RAMSA) initiiert und erinnert an den Mord von Marwa El-Sherbini. Sie wurde am 1.7.2009 im Landgericht Dresden von dem Mann erstochen, den sie angeklagt hatte, weil er sie und ihren 3jährigen Sohn zuvor auf einem Spielplatz bedroht hatte. Der Ehemann von Marwa El-Sherbini wurde im Gerichtssaal von einem hinzugeeilten Polizeibeamten für den Täter gehalten und angeschossen. Um ihren kleinen Sohn, der alles mit ansehen musste, kümmerte sich keiner.
Die Tat und ihre Umstände wurden international verurteilt, da daran die rassistischen Strukturen überdeutlich wurden. Die Staatsanwaltschaft benannte „antimuslimischen Rassismus“ zum ersten Mal als das zentrale Tatmotiv.

Auch 2022 haben Leipziger Organisationen den 1.7. zusammen gestaltet und 10 Organisationen haben sich dem Bündnis bereits angeschlossen. Viele der Bündnispartner waren auf der Ausstellungseröffnung vertreten und haben mit ihrer Teilnahme und ihren Redebeiträgen den Vernetzungs- und Bündnisgedanken stark sein lassen.

Mehrmals wurde auf der Ausstellungseröffnung deutlich: im gesellschaftlichen Diskurs dürfen Stimmen aus Leipzig und Ostdeutschland, insbesondere (post)migrantische und muslimische Stimmen, nicht fehlen! Elvidan Iseni, ein weiterer Redner der Eröffnungsveranstaltung, betonte, dass es eine breite gesellschaftliche Kommunikation zm Thema antimuslimischen Rassismus brauche. Informationen wie z.B. die Arbeit am städtischen Konzept zur Prävention von antimuslimischem Rassismus sollte nicht nur die Akteure im Feld erreichen, sondern offen und sichtbar für alle kommuniziert werden. Auf die Frage, was sie sich am meisten wünsche, antwortete Khadja Bedati Zivilcourage bei rassistischen Anfeindungen und Übergriffen, z.B. in der Straßenbahn. Bisher mische sich kaum jemand ein, wenn (vermeintliche) Muslim:innen, insbesondere Frauen mit Kopftuch, in der Öffentlichkeit angegriffen würden.

Ich würde es schön finden, wenn ich eine Moschee direkt neben einer Kirche finden würde. Das muss nicht heißen, dass ich da unbedingt ein Minarett sichtbar haben muss, sondern es zum Selbstverständnis gehört, dass Moscheen genauso deutsch sind wie Kirchen.

Elvidan Iseni auf der Eröffnung, Auf die FRage was er sich wünsche, auch wenn es utopisch ist

Durch das Programm führte Amanda Ghazouani und musikalisch begleiteten „Gut Integriert“ und Gal Levy die Veranstaltung mit meldischem Rap auf Deutsch und Arabisch. Ab 07.09. kann die Ausstellung zwei Wochen lang von Schulklassen und Pädagog:innen, aber auch von interessierten Einzelpersonen besucht werden. Nicht zuletzt ist das auch dem Einsatz der STILL HUNGRY Art Studios zu verdanken.

Wir sind froh, dazu beigetragen zu haben, so eine wichtige Ausstellung in Leipzig zeigen zu können.

Hannah Sieben von still hungry Art Studios auf der Ausstellungseröffnung

In lebendigen Bilder hat Lara Fattoumi die Eröffnung visuell dokumentiert. Das einstündige Programm wurde außerdem auf Radio Blau live gestreamt und kann auf Soundcloud nachgehört werden.