Dekoloniale Perspektive
Die Westsahara und die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs)
Der Konflikt um die Westsahara ist nicht nur eine regionale und geopolitische Frage von Grenzen und Macht, sondern er steht exemplarisch für die Fortsetzung kolonialer Ungleichheit im 21. Jahrhundert. In der Westsahara werden fundamentale Prinzipien der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verletzt. Die Sustainable Development Goals (SDGs) fordern Frieden, Gerechtigkeit, Bildung, Gleichberechtigung und den Schutz natürlicher Ressourcen. Doch in der Westsahara bleiben all diese Ziele bis heute unerreichbar
SDG 1 & 2 – Keine Armut und Kein Hunger
In den saharauischen Flüchtlingslagern leben Zehntausende Saharauis unter schwierigen Lebensbedingungen und sind auf internationale Hilfe angewiesen. Ressourcenmangel verhindert wirtschaftliche Entwicklung und Versorgungssicherheit. Das anhaltende Exil widerspricht den Zielen, Armut zu überwinden und Ernährungssysteme nachhaltig zu gestalten.
SDG 4 – Hochwertige Bildung für alle
Die Sahrauis investieren trotz widriger Umstände entschlossen in Bildung. Internationale Austauschprogramme, Alphabetisierungskampagnen und Schulen zeigen, wie Bildung zum Instrument der Selbstermächtigung werden kann. Doch die fehlende staatliche Anerkennung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara führt dazu, dass viele Abschlüsse im Ausland nicht anerkannt werden, was ein Hindernis für Generationen darstellt, die dennoch an der Vorstellung einer gebildeten, freien Gesellschaft festhalten.
SDG 5 – Geschlechtergleichheit
In den saharauischen Flüchtlingslagern übernehmen Frauen zentrale Führungsposten – sie organisieren die Bereiche Verwaltung, Bildung, Kultur und Gesundheitswesen. Die saharauische Gesellschaft gilt mit ihrer Geschlechterordnung als vorbildlich gleichberechtigt. Frauen sind Trägerinnen der kulturellen Kontinuität und Garanten für sozialen Zusammenhalt. Ihr Engagement zeigt, dass Gleichstellung nicht nur ein Ziel, sondern eine gelebte Realität einer widerständigen Gesellschaft sein kann.
In den saharauischen Flüchtlingslagern wird die Gesellschaft von Frauen getragen. Sie leiten Verwaltungsbehörden, Schulen, Hilfsstrukturen und gestalten das Kultur- und Gesundheitswesen. Ihre Führungsposition ist kein Resultat von Not, sondern ein Ausdruck einer gesellschaftlichen Ordnung, in der Frauen seit jeher politische, soziale und kulturelle Verantwortung übernehmen. Die saharauische Gesellschaft gilt mit ihrer Geschlechterordnung als außergewöhnlich demokratisch. Das Engagement der saharauischen Frau zeigt, dass Emanzipation und Gleichstellung keine fernen Ziele sind, sondern eine gelebte Realität einer widerständigen, feministischen Gesellschaft, selbst unter schwierigen Bedingungen von Flucht, Besatzung und Exil.
SDG 10 & 16 – Weniger Ungleichheiten, Frieden und starke Institutionen
Die anhaltende Besatzung und die systematische Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Sahrauis widersprechen den Grundwerten der SDGs. Solange die politische Lösung blockiert bleibt und die internationale Gemeinschaft schweigt, werden Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit und Partizipation verwehrt. Das Fehlen eines Menschenrechtsmandats für die UN-Mission MINURSO ist die Folge dieser strukturellen Ungleichheit, die seit Jahrzehnten anhalten.
SDG 12 & 13 – Nachhaltige Produktion, Klima- und Ressourcenschutz
In den besetzten Gebieten werden Phosphat, Fisch, Windenergie und landwirtschaftliche Produkte in großem Umfang ausgebeutet – ohne Zustimmung der saharauischen Bevölkerung. Diese wirtschaftliche Nutzung verletzt sowohl das Völkerrecht als auch das Prinzip ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Der Konflikt zeigt exemplarisch, wie wirtschaftliches Wachstum auf Kosten der Menschenrechte die Umsetzung globaler Nachhaltigkeitsziele behindert.
SDG 17 – Globale Partnerschaften und Verantwortung
Die Agenda 2030 ruft zu internationaler Zusammenarbeit und Solidarität auf. Die Westsahara ist ein Prüfstein für diese Prinzipien. Sie fordert die Weltgemeinschaft heraus, zu beweisen, ob sie bereit ist, universelle Werte wie Menschenwürde, Gleichheit und Selbstbestimmung tatsächlich für alle Völker anzuwenden. Initiativen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Bildungseinrichtungen und Projekten wie die Wanderausstellung tragen dazu bei, Bewusstsein zu schaffen und Partnerschaften über Grenzen hinweg zu fördern.
