Dekoloniale Perspektive
Menschenrechte in den besetzten Gebieten der Westsahara
Seit der Besatzung der Westsahara durch Marokko im Jahr 1975 wird die Lebensrealität von zehntausenden Saharauis durch einen Zustand permanenter Überwachung, eingeschränkter Freiheit und struktureller Diskriminierung bestimmt.
Die marokkanischen Behörden kontrollieren nahezu alle Lebensbereiche, zu denen unter anderem die Verwaltung, die Bildung, die Medien, die Justiz und die Sicherheitskräfte gehören. Wer die offizielle Staatsdoktrin in Frage stellt, wird schnell ins Visier der Behörden genommen.
Meinungsfreiheit, Versammlungsrecht und politische Betätigung werden stark eingeschränkt. Das Hissen der saharauischen Flagge oder das Rufen politischer Parolen kann bereits als „Gefährdung der territorialen Einheit“ gewertet und strafrechtlich verfolgt werden.
Autonome Menschenrechtsvereinigungen berichten von willkürlichen Inhaftierungen, Folter, Misshandlungen und rechtswidrigen Gerichtsverhandlungen. Saharauische Journalist*innen, Aktivist*innen und Student*innen werden regelmäßig verhaftet, eingeschüchtert oder zu langen Haftstrafen verurteilt.
Ein besonders bekanntes Beispiel ist der Fall des Protestcamp von Gdeim Izik (2010): Ein friedliches Protestcamp wurde von Tausenden Saharauis nahe El Aaiún errichtet, um gegen Diskriminierung, Armut und die Besatzungspolitik zu protestieren. Die marokkanische Polizei stürmte das Camp gewaltsam, dabei starben mehrere Menschen und hunderte wurden festgenommen. Die anschließenden Prozesse gelten als politischer Willkürjustiz: die Geständnisse wurden unter Folter erzwungen, Anwält*innen behindert und internationale Beobachter*innen ausgeschlossen.
Der Zugang internationaler Organisationen und Medien wird außerdem von der marokkanischen Regierung massiv eingeschränkt. Journalist*innen, Jurist*innen sowie EU-Abgeordnete, die über Menschenrechtsverletzungen berichten, erhalten keine Einreisegenehmigung.
Das Ziel ist klar: Die Realität der Besatzung soll unsichtbar bleiben.
Besonders gravierend ist, dass die UN-Mission MINURSO, die seit 1991 den Waffenstillstand überwacht, kein Mandat zum Schutz oder zur Beobachtung der Menschenrechte besitzt, was ein weltweit einzigartiger und schwerwiegender Ausnahmefall ist. Dadurch bleibt die saharauische Bevölkerung schutzlos gegenüber Übergriffen und Misshandlungen.
Viele Sahrauis berichten von sozioökonomischer Diskriminierung. Sie werden an Arbeitsstellen, in Schulen oder an Universitäten benachteiligt. Ihre kulturellen Ausdrucksformen gelten als verdächtig oder „separatistisch“, dazu zählen Sprache, Kleidung, Musik und die saharauische Identität. Selbst friedliche Proteste für das Referendum über die Selbstbestimmung werden mit Gewalt unterdrückt.Lebensrealität
